Die Franziskanerkirche in Esslingen

Die Hintere Kirche - ganz hinten in der Stadt?

Geschichte

Diesen Beitrag möchte ich der sogenannten Franziskanerkirche oder auch Hinteren Kirche beziehungsweise ehemals St. Georgs-Kirche in Esslingen am Neckar widmen. Im Gegensatz zur Stadtkirche St.Dionys und den beiden sich in unmittelbarer Nähe befinden Münster St. Paul und der Frauenkirche, erhält die “Hintere Kirche” nur wenig Beachtung.

Einst gehörte die Hintere Kirche dem Franzikskaner- und Barfußkloster an. 1237 ließen sich die ersten Franziskaner in Esslingen nieder. Mit dem Bau der Franziskanerkirche (auch Hintere Kirche oder Georgskirche) wurde um 1270 begonnen. Sie befindet sich am heutigen Blarerplatz. Der steil aufragende Chor wurde um 1300 gebaut. Ursprünglich war die Kirche St. Mariae Krönung geweiht.

FranziskanerkircheGemeindehaus

Im Vordergrund lässt sich das Evangelische Gemeindehaus erkennen, das erst viel später an die Kirche angeschlossen wurde. 1840 wurde das Langhaus wegen Baufälligkeit abgetragen und 1926 entstand das Gemeindehaus an dieser Stelle. Architekt war Prof. Rudolf Lempp, der auch Stadtbaumeister von Esslingen war. Der spiegelt den damals beliebten und modernen Heimatstil wider.

FranziskanerkircheGemeindehaus

Der Architekt ließ den ursprünglichen Lettner stehen und schloss das Gemeindehaus an den Chor an. Ein Lettner auch Doxale genannt, ist eine steinerne oder hölzerne Schranke, die den Chor vom Mittelschiff einer Kirche abtrennt. Solche Abtrennung findet man vor allem in Domen, Kloster- und Stiftskirchen. Im übertragenen Sinn entstand also ein neues Kirchenschiff. Zudem verband der Architekt das Gemeindehaus rechtwinklig mit dem bestehenden Schulgebäude - der heutigen Musikschule - in „Anlehnung“ an die Klosteranlage der Franziskaner.

FranziskanerkircheGemeindehaus

Bettelorden

Habt ihr euch bei den Bildern eigentlich auch schon gefragt, warum die Kirche nicht bestuhlt ist?

FranziskanerkircheGemeindehaus

Auch wenn die Kirche über die Jahrhunderte häufig umstrukturiert wurde, oder Teile abgebaut wurden, orientierte man sich letztendlich an ihrer Geschichte

Erstens gehörte die Kirche dem Franziskanerorden an, einem sogenannten Bettelorden. 1226, im Todesjahr des Heiligen Franziskus, kamen Franziskanermönche nach Esslingen. Namensgebend war Franz von Assisi. Er lebte in freiwilliger Armut, erbettelte sich Nahrungsmittel und wohnte als so genannter Aussätziger außerhalb der Stadtmauern. Seinen Auftrag sah er darin, seinen Glauben in die Welt zu tragen. Viele Bettelordenskirchen hatten kaum bis wenig Innenausstattung.

Zweitens nahmen die Gläubigen bis ins späte Mittelalter an Gottesdiensten stehend teil.

Drittens ist bis heute nur noch der Chor der Hinteren Kirche erhalten geblieben. In diesem Bereich der Kirche war grundsätzlich nichts für die Allgemeinheit bestuhlt. Denn Kirchenbänke dürfen nicht mit dem Chorgestühl, hier seitlich angebracht, verwechselt werden. Dabei handelt es sich um Sitz- und Kniebänke der Kleriker, Mönche und Nonnen im Chor der Kirche.

FranziskanerkircheGemeindehaus

Die Glasmalerei

FranziskanerkircheGemeindehaus

Besonders schön anzuschauen sind die erhaltenen Buntglasfenster in der Mitte des Chores der Franziskanerkirche in Esslingen.

Unter Glasmalerei versteht man die Herstellung farbiger Fenster mit bildlichen Darstellungen, wie wir sie heute insbesondere, wie in diesem Fall, von Kirchen aber auch von Jugendstilgebäuden kennen. Die Wirkung entsteht durch das durchscheinende Licht der Sonne. Damit hat die Glasmalerei einen besonderen Stellenwert in der Malerei. Keine andere Malart kann eine so hohe Farbleuchtkraft und so große Helligkeitsunterschiede zeigen wie ein durchsichtiges Glasbild. Zudem war die Glasverarbeitung zur Erbauungszeit der Kirche ein teures Unterfangen.

Die prächtigen bunten Glasmalereien des Chors entstanden in den Jahren um 1320. Sie zeigen einen typologischen Bibelzyklus und wurden wohl entgegen den damaligen Bauvorschriften für eine Bettelordenskirche nur geduldet, weil häufig Generalkapitel in Esslingen stattgefunden haben.

FranziskanerkircheGemeindehaus

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Gezeigt sind von oben links nach unten rechts folgende Bibleszenen:

  • Bestrafung
  • Christus als Weltenrichter
  • Gefangennahme eines Propheten
  • Brandopfer des Elias
  • Pfingsten
  • Daniel in der Löwengrube
  • Elias Himmelfahrt
  • Christi Himmelfahrt
  • Entrückung Henochs
  • Jonas vom Walfisch ausgespien
  • Auferstehung
  • Simon mit den Toren von Gaza
  • Abrahams Opfer
  • Kreuzigung
  • eherne Schlange
  • Geißelung Achiors
  • Geißelung Christi
  • Geißelung eines Makkabäers

Die Fenster wurden unter anderem auch mit Silbergelb gemalt. Diese Farbe kam erst um 1300 in Paris auf und zeigt damit den Rang Esslingens als Kunstzentrum in Schwaben. Im 14. Jahrhundert bot das Kloster auch ein Quartier für den Kaiser und sein Gefolge.

Fenster und Altar im Osten

Wie sehr viele Kirchen ist auch die Hintere Kirche in Esslingen geostet. Aber warum?

Die sogenannte Ostung ist eine gezielte Ausrichtung eines Kirchengebäudes Richtung Osten, also in Richtung der aufgehenden Sonne.

FranziskanerkircheGemeindehaus

Man orientierte sich an der Aussage “Oriens orientium universum obtinet” (Pseudo-Hippolytus Romanus: In sanctum Pascha [d. i. Predigt auf das heilige Osterfest]), was übersetzt heißt: “Der Aufgang aller Aufgänge regiert das All”. Der Sonnenaufgang wurde in Verbindung mit Christi gebracht und ist ein Symbol der Auferstehung.

Süden und Norden

An der Südwand der Kirche befindet sich ein Gemälde einer Mariendarstellung. Dies bezieht sich auf die ursprüngliche Weihung der Kirche für St. Mariae Krönung. Dies macht das Wandgemälde an der linken Seite des Chores deutlich. 1390 entstand an der Südwand das Gemälde über die Aufnahme Marias in den Himmel und den Chor der Seligen. Zu Marias Füßen kniend befindet sich eine älterer Franziskanermönch. Laut lateinischer Inschrift handelt es sich dabei um Hasso von Lampertkein, einen franziskanischen Magister, der 1386 in Esslingen starb.

Über der Sakramentsnische an der Nordwand befindet sich eine Darstellung des Schmerzensmannes mit Engeln. Leicht verblasst lässt sie sich heute noch erkennen. Die Darstellung des “Schmerzensmannes” wird auch Imago pietatis, also Erbärmdebild genannt. Gezeigt wird ein Mann der Schmerzen und es kann als ein Bild des Mitleids verstanden werden. Insbesondere ist es ein Andachtsbild, das den leidenden Jesus Christus mit sämtlichen Kreuzigungswunden und der Seitenwunde, aber lebend und nicht am Kreuz darstellt. Sehr häufig wird Christus aufrecht stehend und halbfigurig gezeigt.

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Die Sakramentsnische ist in diesem Fall ein Sakramentshäuschen, sondern ist in die Wand eingelassen. Sie dient zur Aufbewahrung des eucharistischen Leibes Christi. Auffällig ist die verschnörkelte Gestaltung im Stil der Gotik. Dies lässt sich an der angedeuteten Spitzbogenform erkennen.

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Die Westseite der Hinteren Kirche

Dreht man sich vom Chor aus Richtung Westen, fällt der Blick auf die Orgelempore. Eine Wendeltreppe führt im hinteren Bereich der Kirche nach oben. Von 1908 bis 1912 wurde unter der Leitung von Architekt Albert Benz die Empore eingebaut und die Sakristei errichtet. Material und Formensprache sind Zeugnisse dieser Zeit.

Die denkmalgeschützte Orgel auf der Empore der Franziskanerkirche wurde 1912 von der Ludwigsburger Orgelbauwerkstätte E.F.Walcker gebaut. Die in Jugendstilformen gestaltete Orgel besitzt 16 Register, die sich auf zwei Manuale (Hauptwerk, Schwellwerk) und Pedal verteilen.

Über der Orgel in der Westfassade befindet sich ein Rundfenster. Die Gestaltung entstammt der Hand Aloys Staudingers und zeigt eine Darstellung von Sankt Georg - der zweite Titel der heutigen Hinteren Kirche.

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