Die Frauenkirche Esslingen

Die Frauenkirche

Frauenkirche

Die Frauenkirche, auch Liebfrauenkirche oder Marienkirche genannt, hat bist heute als eines der bedeutendsten Werke der Hoch- und Spätgotik einen besonderen Stellenwert in Esslingens am Neckar. Trotz einer Bauzeit von fast 200 Jahren von 1321 bis 1520 wurde sie in einer einheitlichen Architektur gestaltet. Dies ist eine Besonderheit, denn Kirchen, die über mehrere Jahrhunderte hinweg errichtet wurden, wurden damit auch von unterschiedlichen Bauherren und Architekten betreut. Meistens lässt sich dann in der Architektur ein Bruch erkennen, was hier kaum der Fall ist. Erst von 1861-1863 wurde durch Joseph von Egle die Kirche neugotische erneuert,so dass durch den Architekten eine der schönsten Kirchen Südwestdeutschlands vor weiterem Verfall und Abriss des Turms gerettet wurde.

Erbaut in einem Ausläufer der Neckarhänge, erhebt sich der klar gegliederte Bau über seine Umgebung und der schlanke Turm mit filigranen Fialen und Verstrebungen scheint sich ganz im Sinne der Gotik, dem Himmel entgegen zu recken. Viereckig steigt er bis über das Kirchendach auf, setzt sich dann achteckig fort und verjüngt sich in einer durchbrochenen Pyramide. Die Spitze ziert ein Turmkranz und eine Kreuzblume. An der Seite lässt sich ein kleines Türmchen erkennen. Es könnte sich dabei um einen Wehrturm handeln, der zum Schutz errichtet wurde. Möglich wäre es, denn die Stadtmauer ging direkt an der Kirche vorbei. Allerdings handelt es sich bei der Frauenkirche um keine sogenannte "Wehrkirche", sodass diese Überlegung auf reinen Spekulationen beruht.

Frauenkirche

Zunächst sollte ursprünglich eine Kapelle zu Ehren der Jungfrau Maria erbaut werden - sie ist bis heute eine Schutzpatronin der Frauenkirche. Die ersten drei Langhausjoche zeugen vom Kapellenbau. Schon nach 1340 wurde die Kapelle erweitert und es entstand die Kirche “zu unserer lieben Frau”. Gleichzeitig ist die Frauenkirche auch die Kirche der Weingärtner, da sie sich am Aufstieg zu den Weinbergen befindet. Besonders ist auch dass die Kirche von der Bürgerschaft Esslingens errichtet wurde, da die große Stadtkirche St. Dionys dem Domkapitel von Speyer unterstand und somit auch von Speyer festgelegt wurde, wer die Messer verlas.

Die Namensgebende "Liebe Frau" und die Portale der Kirche

Es ist üblich, dass eine gotische Kirche ihr Eingangsportal in der Westwand hat. Auch bei der Esslinger Frauenkirche wurde an dieser Stelle ein Portal gebaut, allerdings nie benutzt. Die ehemalige Stadtmauer von Esslingen lag direkt hinter der Kirche, so nah am Eingangsportal, dass man dieses nicht öffnen konnte.

Mit der Verlängerung um drei Joche ab 1390, die die Marienkapelle zur Frauenkirche vergrößerte, wurde aus diesem Grund die Südostseite als Schaufront bebildert. Als Hauptträger des bildlichen Schmucks, zeigt das Südostportal das Marienleben.

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Im unteren Teil ist die Geburt Christ und die Anbetung der drei Weisen gezeigt. Darüber wird der Marientod dargestellt, dem nach einer alten Legende die 12. Apostol beiwohnten, auch Christus ist in dieser Darstellung mit gefalteten Händen anwesend. Auf dem linken Arm hält er eine menschliche Figur, vielleicht die Seele Marias?, mit dem rechten Arm weist er in den Himmel. In der Spitze des Bogens sitzt die gekrönte Maria neben dem Gottvater, eine Gruppe, die durch zwei musizierende Engel vervollständigt wird. Die Darstellung ist stark reduziert auf die Form und nur zurücktretende Archivolten rahmen das Portal.

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Eine komplett andere Darstellung befindet sich im Südwestportal, dies macht bereits die veränderte Form des Portals deutlich. Es ist das Weltgericht gezeigt, das reicher und üppiger als das Marienleben gestaltet ist. In einer halben Elipse, lässt sich das jüngste Gericht erkennen. links öffnet Petrus den Seligen die Himmelstür, rechts werden die Verdammten mit einer Kette zusammen gehalten und vom Teufel in den Rachen der Hölle gezerrt. Gezeigt sind übrigens von Bürgern und Bauern auch Könige und Kirchenfürsten. In der Spitze thront der Weltenrichter, zu dessen Füßen Maria und Johannes der Täufer als Fürbitter der Menschheit knien.

In der um die beiden Szenen gelegte Hohlkehle befindet sich die dritte Szene: Engel mit Marterwerkzeugen und Posaunen, wecken die Schläfer, die sich aus ihren Gräbern erheben.

Trotz Zerstörungen und der in Esslingen aggressiv gelebte Bildersturm durch Ambrosius Blarer, sind beide Prachtportale bis heute erhalten geblieben. Teilweise fehlen aber an der Fassade Figuren oder Teile von ihnen wurden abgeschlagen.

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Vom Göttlichen und vom Teuflischen

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Über dem heutigen Haupteingang befindet sich im Tympanon die Szene, in welcher der Heilige Georg den Drachen ersticht. Hoch zu Ross hält er den tödlichen Speer, um das Monster zu vernichten. Links hinter ihm ist im Relief ist Kappadokien angedeutet, eine Region in der heutigen Türkei die als ein der wichtigsten frühchristlichen Zentren gilt. Rechts befindet sich die jungfräuliche Königstochter, die der Heilige Georg vor dem Drachen schützte. Der gezeigten Szene geht der Kampf mit den Drachen voraus und der darauffolgenden Triumphzug Georgs mit der Königstochter durch die Stadt, wo der letztendlich tödliche Stoß ausgeführt wurde. Der Sieg Georgs über das Ungeheuer wurde als Sieg des Göttlichen über das Teuflische, als Sieg des Guten über das Böse gedeutet. Als einer der 14. Nothelfer, steht ein Name für Tapferkeit, Nächstenliebe, Ritterlichkeit und Höflichkeit.

Erinnerungen an die göttliche Kraft und die Warnung vor dem Bösen findet sich an Kirchenarchitektur gehäuft. Nicht nur die gewählten christlichen Figuren erzählen davon, sondern auch die Steinformen, die sich zumeist oberhalb der Kirche befinden.

Gargoyle gehören zur Formensprache von Kirchen und sakralen Bauten, vor allem ab der Gotik waren sie ein beliebtes Stilmittel. In ihrer Funktion als architektonische Elemente zur Wasserableitung an Gebäuden, hatten sie darüber hinaus auch weitere Eigenschaften. Gargoyle befinden sich niemals im inneren von Gebäuden. Die fantastischen Wesen symbolisieren den Einfluss des Teufels auf die irdische Welt, im Kontrast dazu steht der innere himmlische Raum. So auch an der Frauenkirche in Esslingen am Neckar.

63 historische Wasserspeier zieren die Frauenkirche. Groteske Wesen, verzerrte Fratzen und fantastische Tiere verdeutlichen die mittelalterliche Vorstellung des Bösen. Im Esslinger Volksmund tragen sie klangvolle Namen wie Sackzwicker, Fischweib, Erbmops, Pfefferhuster, Zwiebelfresser und Perückenheiner.

Frauenkirche

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Letzterer verdeutlicht, dass die Wesen ihre Namen erst im 20. Jahrhundert erhielten - denn Perücken waren zur Zeit der Erbauung der Frauenkirche noch gar nicht erfunden. Es zeigt aber auch, die Bedeutung, die Engelwesen und Dämonen in der Glaubenswelt vergangener Jahrhunderte bis in die Gegenwart hatten und haben. Der Zwiebelfresser erzählt eine ganz besondere Anekdote über die Bewohner der Stadt Esslingen. So soll der Teufel vor vielen Jahren in die Stadt gekommen sein, um sich die Seelen der Bürger zu eigen zu machen. Auf dem Markt verlangte er an einem Stand nach einem Apfel. Die Bäurin jedoch sah unter seinem Mantel einen Ziegenfuß hervorstehen und durchschaute den Teufel in Verkleidung. So reichte sie ihm eine Zwiebel über den Stand, in welchen der Teufel genüsslich hinein biss. Mit Tränen in den Augen und dem Bauch voller Wut verließ der Teufel die Stadt, um nie wieder zu den Zwieblingern zurück zu kehren.

Die Gargole der Frauenkirche zeigen an dieser kleinen Geschichte, wie vielseitig Architektur ist. Sie besteht nicht nur aus baulichen Aspekten, statischen Bedingungen oder historischen Einflüssen. In erster Linie wird sie von den Bewohnern von Städten beeinflusst und bekommt Leben eingehaucht.

Und wie geht's innen weiter?

Betritt man die Frauenkirche so steht man in einer gotischen Hallenkirche. Die bedeutete, dass die Seitenschiffe so hoch sind wie das Mittelschiff. Heute nicht mehr vorhanden sind die mittelalterlichen Seitenaltäre, die die Seitenschiffe schmückten, dafür befinden sich lange Sitzbänke im Innenraum, die zur Erbauungszeit noch nicht nicht da waren, da Kirchen ursprünglich ohne Bestuhlung waren.

Der Chorraum der Esslinger Frauenkirche wurde bereits kurz nach dem Spendenaufruf der Stadträte 1330 fertiggestellt und eingeweiht. Ursprünglich standen im Chorraum ganze fünf Altäre zu ehren derer, die sie gestiftet haben und ein Hauptaltar. Die ursprünglichen Altäre des Chorraumes fielen dem Reformator und Bilderstürmer von Esslingen, Ambrosius Blarer zum Opfer. Im Zuge der Renovierungen um 1863 kamen die heutige Kanzel, der Altar und das Lesepult mit der Lutherrose hinzu. Zeitgenössisch sind aus dieser Erneuerungsphase auch die Zementmosaikplatten im Chorraum. Solche Zementfliesen erfuhren im 19. Jahrhundert eine große Verbreitung in Europa und verleihen dem Raum gleichzeitig eine ganz besondere Wirkweise.

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Zeitgenössisch ist der Altar ein Werk der neugotischen romantischen Zeit und zeigt in seinen wertvollen Steinmetzarbeiten nicht nur gotische, sondern auch renaissanceische und byzantinische Stilelemente. Ebenso ist auch Kanzel im neugotischen Stil errichtet worden und mit prachtvollem Schnitzwerk verziert, das die vier Evangelisten mit ihren Symbolen zeigt: Matthäus mit einem Engel, Markus mit einem Löwen, Lukas mit einem Stier und Johannes mit einem Adler.

Besonders sind der erhaltenen mittelalterlichen Fenster. Drei mittelalterliche Fenster aus der Zeit von 1330 bis 1360 zeigen links die namensgebende Marienlegende, mittig Jesus leben und rechts die Heiligengeschichten. Rechts und links befinden sich in den Seitenschiffen zwei Fenster, die von dem bekannten deutschen Glasmaler un Zeichner Hans Gottfried von Stockhausen eingebaut wurden. 1990 entstand das “Passionsfenster”, neun Jahre später, das “Frauenfenster”.

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