Unsichtbar im Schlossgarten

Unscheinbar im Schlossgarten

Manchmal denkt man, dass man einen Ort kennt, um so erstaunlich ist immer wieder die Erkenntnis, dass es doch immer wieder etwas Neues und Unbekanntes zu entdecken gibt.

Schicksalsbrunnen

Zu sehen ist auf den Bildern der sogenannte Schicksalsbrunnen im Oberen Schlossgarten in Stuttgart. Er gilt als einer der bedeutendsten Brunnen des Jugendstils in Deutschland. Die Lokalität den Brunnen wurde zweifelsohne bewusst gewählt. Gelegen zwischen Kunstgebäude und Landtag, der aber erst viel später errichtet wurde, liegt der Brunnen gegenüber des Eckensees mit Fontäne. Die Kulisse des heutigen Staatstheaters Stuttgart, am Künstlereingang der damaligen Württembergischen Staatsoper, verleiht dem Brunnen nicht nur eine ganz besondere Atmosphäre, sondern deutet auch auf seinen Errichtungsgrund hin. 1914 wurde er von dem Bildhauer Karl Donndorf (1870–1941) gestaltet. Donndorf schuf zusammen mit den Bildhauern Richard und Willy Schönfeld diesen Brunnen zum Gedenken an die deutsch-schweizerische Opernsängerin Anna Sutter. Sie wurde 1910 von einem früheren Liebhaber ermordet. Der Brunnen trägt die Inndschirft: „Aus des Schicksals dunkler Quelle rinnt das wechselvolle Los. Heute stehst du fest und groß. Morgen wankst du auf der Welle.“

Ikonografie

Wichtig ist die Symbolik und die namensgebende Thematik des Schicksalbrunnens. Das Schichsal wurde in der Rezeption immer als wechselhaft verstanden und konfrontiert die Menschen sowohl als Bühnenfiguren als auch im wirklichen Leben mit Freude und Leid.

Schicksalsbrunnen

In einem Halbrund sind die Figuren des Brunnens arrangiert. Mittig befindet sich die Schicksalsgöttin mit ausgebreiteten Armen sitzend. In ihren geschlossenen Händen hält sie das Schicksal der Menschen verborgen.

Das Schicksal ist in der Darstellung immer weiblich konnotiert und besteht zumeist nicht nur aus einer Figur, sondern aus einem Dreiklang. Hier ist sie im Speziellen zwar alleine gezeigt, die Aufgliederung in rechts, mittig, links, oder insgesamt drei Personengruppen könnte aber ein Hiweis auf ihre Wahrnehmung als drei Figuren sein. In der griechischen Mythologie sind die Schicksalszugewiesenen die sogenanntaten ie Moiren Klotho, Lachesis und Atropos bzw. Moira. In der nordischen Mythologie sind sie unter dem Namen die Nornen Urd, Verdandi und Skuld zu finden und in der römischen Mythologie spinnen die Parzen den Faden des Schicksals. Vereinzelt lassen sich aber auch einzelne Göttinnen finden, wie unter anderem die griechische Personifizierung Ananke oder die römische Glücksgöttin Fortuna.

Vor der Schicksalsgöttin im Schlossgarten eröffnet sich ein Wasserbecken.

Rechts und links von der Göttin an den Enden des Halbrunds stehen zwei Liebespaare, die Freude und Leid symbolisieren.

Schicksalsbrunnen

Die linke Seite zeigt die Allegorie der Freude. Dargestellt ist ein Liebespaar, bei dem ein sitzender Mann einen Siegeskranz trägt und die volle Schale des Lebens in der Hand hält – eine Frau schaut glücklich zu ihm auf. Der Bildhauer Karl Donndorf hatte das Motiv der Lebensschale in der Hand eines jungen Mannes bereits ein Jahr zuvor 1913 bei dem ebenfalls von ihm gestalteten Jünglingsbrunnen in der ehemaligen Arbeitersiedlung Ostheim in Stuttgart-Ost verwendet. Die linke Seite nimmt die Allegorie des Leids in den Fokus. Das gezeigte Liebespaar ist trauernd. Ein verzweifelter Mann verbirgt seinen Kopf im Schoß einer sitzenden Frau.

Schicksalsbrunnen

Die Konstellation macht deutlich, wie nah die beiden Empfindungen beieinander liegen.